Nachhaltigkeit & Innovation

CO2-Speicherung: Altes Konzept erhält neue Fürsprecher

/ Sven Ebbing

Spätestens seitdem die britische Regierung das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 in Stein gemeißelt hat und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sich zur Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts bekannte, wird wieder über eine Technologie diskutiert, die bis vor kurzem völlig von der Agenda verschwunden war. Die Rede ist von der Abscheidung und Speicherung des Klimagases CO2, zu englisch Carbon Capture and Storage (CCS).

Mit dieser Technologie lassen sich zumindest theoretisch ausgestoßene Klimagase abfangen und unterirdisch speichern, bevor sie in die Atmosphäre entweichen. Wir nehmen die Idee hinter CCS genauer unter die Lupe und zeigen, welche Positionen es dazu gibt.

Es ist erst wenige Jahre her, dass die zuständige Lobbygruppe für die Speicherung von CCS in Deutschland ihr Werben für die Technologie einstellte, weil der Widerstand und die Bedenken zu groß waren. Doch nun ist wieder Bewegung in die Sache gekommen. Denn wenn ab 2050 unter dem Strich keine neuen Klima-Emissionen mehr anfallen dürfen – sollte das Kohlendioxid, das trotzdem noch ausgestoßen wird, nicht am besten gar nicht erst in die Luft gelangen?

Die Grundidee hinter CCS ist deshalb bestechend: Das in Kraftwerken und Industrieanlagen anfallende CO2 wird abgefangen und in 1000 bis 4000 Metern tief liegenden Salzwasservorkommen, Kohleflözen sowie leeren Öl- und Gasfeldern an Land und unter dem Meeresgrund gespeichert. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums lassen sich die Emissionen der Aluminium-, Stahl- und Zementproduktion nach heutigem Kenntnisstand sogar ausschließlich mit CCS wesentlich reduzieren. Unter anderem deshalb wird die Technologie als wichtige Komponente bei der zukünftigen Reduktion von Treibhausgasen angesehen.

CO2-Speicherung vor der Küste: Häfen wollen Gasfelder nutzen

Mit Ottmar Edenhofer und Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben sich jüngst sogar zwei der namhaftesten Klima-Experten für die Einführung der CO2-Speicherung ausgesprochen. In den Benelux-Staaten preschen die großen Häfen von Rotterdam, Antwerpen und Gent vor und wollen rund ein Sechstel ihrer jährlichen CO2-Emissionen von 60 Millionen Tonnen in zwei leere Gasfelder drei Kilometer unter der Nordsee pumpen. Ob dieses Mega-Projekt namens „Porthos“ einen Durchbruch für die CCS-Technologie bringt, muss sich allerdings noch zeigen.

Denn zurzeit ist die Methode technisch noch nicht komplett ausgereift, wie unter anderem das Umweltbundesamt (UBA) feststellt. Das UBA sieht in der Speicherung von CO2 deshalb höchstens eine Übergangslösung für den Fall, dass die deutschen Klimaziele anders nicht eingehalten werden können. Das UBA weist zudem darauf hin, dass auch für die Abscheidung und Speicherung von Klimagasen selbst viel Energie aufgewendet werden muss, deren Produktion wiederum CO2 verursacht. Deshalb müsse das Kohlendioxid dauerhaft in den unterirdischen Speichern verbleiben.

CO2-Lecks hätten drastische Folgen

Genau hier liegt neben den sehr hohen Kosten für viele Umweltschützer das Problem. Treten in den unterirdischen Speichern nämlich Lecks auf, aus denen CO2 ungehindert austritt, kann das massive Folgen haben. So kann das freigesetzte CO2 unter anderem in großer Tiefe lagerndes salziges Grundwasser verdrängen, das im schlechtesten Fall das von Menschen genutzte Grundwasser „versalzt“ und Böden, Flüsse und Seen schädigt. Auch die für die für den Transport und die Speicherung des Kohlenstoffdioxids verwendete Infrastruktur kann negative Effekte auf die umgebende Natur haben. Diese Befürchtungen waren wohl ausschlaggebend dafür, dass die deutsche CCS-Lobby namens „IZ Klima“ im Jahr 2012 die Segel strich. Im Gegensatz dazu halten viele Wissenschaftler das Risiko für beherrschbar, auch weil an Maßnahmen geforscht wird, Lecks zu entdecken und zu schließen.

Bio-Variante spart CO2 ein

Dass die CO2-Speicherung nun doch wieder stärker ins Blickfeld gerät, hängt aber vor allem mit den Buchstaben B und E zusammen. „Bioenergy with carbon capture and storage“, kurz BECCS, gilt vielen als sehr vielversprechende Methode, Energie nicht nur klimaneutral, sondern sogar mit negativer Klimabilanz herzustellen. Die Idee dahinter: Pflanzen wie Raps, Zuckerrohr oder Mais, die während ihres Wachstums CO2 binden, werden zur Energieherstellung verbrannt. Weil das dabei wiederum freigesetzt werdende Treibhausgas nach CCS-Methode abgeschieden und gespeichert wird, würde der Atmosphäre unter dem Strich sogar CO2 entzogen. Mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen steht das Verfahren bei Wissenschaftlern hoch im Kurs. Völlig ungewiss ist aber auch hier, ob BECCS überhaupt in dem Ausmaß realisierbar wäre, wie es benötigt würde. Schon für den Anbau der Pflanzen, die verbrannt werden, wären riesige Flächen vonnöten.

Aller Probleme zum Trotz wird das CCS-Konzept wahrscheinlich als vielversprechende Klima-Technologie im Gespräch bleiben, auf deutscher, europäischer und globaler Ebene. Bevor man die Methode aber zur Wunderwaffe gegen den Klimawandel erklärt, sollte man Nutzen, Kosten und Risiken lieber ganz genau gegeneinander abwägen.

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