Nachhaltigkeit & Innovation

Naturkatastrophen, Smog und Energiekrisen: Kaliforniens Weg zum Klima-Vorbild

/ Sven Ebbing

Nur an wenigen Orten auf der Welt dürften die Folgen des Klimawandels in Form von Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden schon heute so stark zu spüren sein wie in Kalifornien. Aus der Not haben Regierung und Gesellschaft in dem US-amerikanischen Bundesstaat längst eine Tugend gemacht.

Der Bundesstaat Kalifornien an der US-Westküste ist zum weltweiten Vorbild beim Klimaschutz und der Nutzung erneuerbarer Energien avanciert. Der Weg dorthin war gepflastert von verschmutzter Stadtluft, Ölkatastrophen und dramatischen Stromausfällen. Anfang des Jahres gab es nun ein starkes politisches Signal: Während US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen zum Jahr 2020 erklärt hat, entschied sich das kalifornische Parlament zur Weiterführung der strengen Klimaschutzrichtlinien bis 2030. Zwar haben sowohl Umweltschützer als auch viele Republikaner aus unterschiedlichen Gründen etwas an der Entscheidung auszusetzen, doch die Stoßrichtung ist klar. Die Richtlinien sehen strenge CO2-Regeln vor und beinhalten die Verpflichtung für Unternehmen, bis 2023 moderne Abgasreinigungssysteme zu verwenden. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Jerry Brown verkündete als Reaktion auf Trumps Politik unlängst: „Wir werden unsere Werte verteidigen. Was immer Washington auch glaubt zu tun - Kalifornien ist die Zukunft!"

Kalifornien positioniert sich als Trumps Gegenspieler und schmiedet Klima-Allianzen mit 14 anderen US-Bundesstaaten, aber auch mit internationalen Partnern wie Baden-Württemberg. Mitte September findet in San Francisco das Global Climate Action Summit statt. Auf dieser von der kalifornischen Regierung initiierten Klimakonferenz kommen Politiker mit Wirtschaftsvertretern, Investoren und Bürgern zusammen, um gemeinsam über aktuelle Klimaschutzmaßnahmen auf der ganzen Welt zu debattieren und für ambitionierte Abkommen auf dem kommenden Weltklimagipfel zu werben.

Dreckige Luft in Kalifornien mit Folgen

Vom klimapolitischen Kurs der US-Regierung lässt sich Kalifornien also nicht von seinem Weg abbringen, eher im Gegenteil. Aber warum hat sich der Bundesstaat an der Westküste überhaupt zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz entwickelt? Um zu verstehen, warum die Bereitschaft im heutigen 40-Millionen-Einwohner-Staat mit der Wirtschaftskraft Frankreichs zum Kampf gegen den Klimawandel so hoch ist, muss man zunächst einige Jahrzehnte zurückblicken. In den 1960er Jahren, als der Autoverkehr immer weiter zunahm, breiteten sich in und um Los Angeles Dunstglocken aus und die Bevölkerung litt unter den hohen Smogwerten. Deshalb gestand die damalige US-Regierung dem Bundesstaat die Durchsetzung besonders niedriger Abgaswerte für PKW zu – ein Recht, dass aktuell durch Trump wieder infrage gestellt wird. Ein Ereignis, das die Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltprobleme erhöhte, war auch die Ölpest von Santa Barbara im Jahr 1969. Auf einer Bohrplattform flossen damals bis zu 14.000 Tonnen Öl ins Meer und verschmutzten die Küste des Festlands und der nahegelegenen Channel Inseln auf einer Breite von mehreren Kilometern. Bürger begannen, sich zu organisieren und die Umweltlobby bekam im Laufe der Zeit immer mehr Einfluss.

Im Energiesektor sorgte die kalifornische Energiekrise zwischen den Sommermonaten 2000 und 2001 für massive Einschnitte. Anfang des Jahrtausends kam es ausgehend von San Francisco zu mehreren Stromausfällen, von denen jeweils zehntausende Menschen betroffen waren. Aufgrund mangelnder staatlicher Vorgaben und wohl auch krimineller Energie aufseiten des Stromkonzerns Enron wurde nicht genügend Strom produziert, um die steigende Nachfrage zu bedienen. In der Folge musste der Strom immer wieder abgeschaltet werden, um einen kompletten Kollaps des Netzes zu verhindern. Strom und Benzin wurden extrem teuer und der damalige Gouverneur rief den Notstand aus. Über mehrere Monate wurden in allen Teilen Kaliforniens die Kraftwerke teilweise mehrmals am Tag planmäßig heruntergefahren, um eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern.

Hauptursache der Energiekrisen: Misslungene Deregulierung

Als Hauptursache für das Ungleichgewicht im Stromsektor wurde die jahrelang betriebene Liberalisierung und Deregulierung des Strommarktes ausgemacht, die Marktmanipulationen begünstigte. Aber auch der steigende Energiehunger trug seinen Teil zum Blackout bei. Im April 2001 war der staatliche Stromkonzern „Pacific Gas and Electric“ mit 13 Millionen Kunden insolvent, weil er hohe Einkaufspreise durch Preisdeckelungen nicht an die Kunden weitergeben durfte. Von High-Tech-Unternehmen bis zu Landwirten wirkte sich die instabile Stromversorgung negativ auf viele Teile der Wirtschaft aus, sodass aus volkswirtschaftlicher Sicht unter dem Strich ein Schaden von bis zu 45 Milliarden stand. Auf ähnliche Deregulierungsbestrebungen auch in Europa hatte die Krise in den USA damals eine abschreckende Wirkung.

Dieses Lehrstück in Sachen unsicherer Energieversorgung und zu hohem Energieverbrauch hat die Abkehr von der Kohle und die Bemühungen, auf erneuerbare Energien umzusatteln, zusätzlich vorangetrieben. Auch die wiederkehrenden Naturkatastrophen führen immer mehr Menschen in Kalifornien vor Augen, dass sich etwas tun muss in Sachen Klimaschutz. Zurzeit kommt es infolge jahrelanger extremer Dürre immer wieder zu gigantischen Waldbränden. Auch heftige Stürme, Starkregen und der steigende Meeresspiegel setzen dem Sonnenstaat zu. Das Meer droht einer neuen Studie zufolge die Klippen an der Küste bis zum Ende des Jahrhunderts 40 Meter ins Landesinnere abzutragen.

Kalifornien: Mit vielen Maßnahmen zum Klima-Vorbild?

Da es nicht viele Orte auf der Welt geben dürfte, an denen der Klimawandel für die Bewohner schon so präsent ist, wird auch in Sachen Klimaschutz und Energieeffizienz viel weiter gedacht als anderswo. So werden die Städte zunehmend auf Effizienz und Ressourcenschonung getrimmt. Die Wasserinfrastruktur wird beispielsweise in San Francisco so umgebaut, dass sich Wasserverschwendung verringert. Ab 2020 sind kalifornische Häuslebauer dazu verpflichtet, Solarzellen auf dem Dach ihrer neuen Gebäude zu installieren. Und auch die Wirtschaft muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, wie die nun verabschiedete Verlängerung der Klimaschutzrichtlinien erneut beweist.

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