Nachhaltigkeit & Innovation

Plastikrecycling im Fokus: Vom gelben Sack zum Granulat

/ Sven Ebbing

Durch die Entscheidung der chinesischen Regierung, seit Jahresbeginn keinen Plastikmüll aus anderen Nationen mehr zu importieren, gerät das Thema Plastikrecycling hierzulande mit einem Schlag in den Fokus der Öffentlichkeit. Schließlich hat allein Deutschland 2016 560.000 Tonnen gewerblichem Plastikmüll nach China exportiert, für den nun Lösungen gefunden werden müssen.

Immer noch mehr als die Hälfte unseres Plastikabfalls landet derzeit in Müllverbrennungsanlagen oder wird als Ersatzbrennstoff verheizt, rund 40 Prozent der Abfälle aber werden recycelt – bei steigender Tendenz. Doch was genau passiert mit unseren Joghurtbechern, Frischhaltefolien und dem benutzten Plastikbesteck, nachdem die Müllabfuhr die gelben Säcke abgeholt hat? Um diese Frage zu beantworten, hat ein Redakteur des Magazins „fluter“ eine Berliner Sortieranlage besucht und ist der Spur des Plastiks von der Abfalltonne bis zum fertigen Kunststoffrezyklat gefolgt.

Plastikrecycling: Ein Kreislauf beginnt

Alles beginnt mit einem riesigen Haufen Müll aus den gelben Säcken, der zunächst vor der Sortieranlage abgeladen wird. Bestandteile, die nicht in die Wertstofftonne gehören, werden schon hier herausgefischt. Nach und nach schaufeln Bagger den Abfall in einen so genannten Aufgabedosierer, der auf den dahinterliegenden Förderbändern für einen gleichmäßigen Materialstrom sorgt. Eine Siebtrommel sortiert Teile aus, die kleiner als 3 Zentimeter sind. Im Anschluss erfolgt das, was die Mitarbeiter der Anlage Windsichtung nennen. Leichte Teile wie lose Etiketten oder Folienstücke werden an dieser Station nach oben geblasen und herausgetrennt. Als nächstes zieht ein Elektromagnet magnetische Metalle vom Förderband. Für nicht-magnetisch Metalle wie Aluminium ist der sogenannte Wirbelstromabschneider zuständig, der ein elektrisches Feld erzeugt. Um im letzten Schritt auch verschiedene Sorten Kunststoff zu trennen, gibt es einen Nahinfrarotscanner, der anhand unterschiedlicher Lichtreflektion die verschiedenen Sorten erkennt und sortiert.

Am Ende der bis zu 45-minütigen Prozedur sind aus dem Kunststoffmüll 1 Kubikmeter große und 600 Kilogramm schwere Ballen geworden. Sie bestehen jeweils aus den Kunststoffsorten PET, Polystrol,  Polyethyl sowie Aluminium, Papierresten und Styropor. Eine Anlage wie die in Berlin schafft es so, bis zu 90 Prozent des Verpackungsmülls wiederverwertbar zu trennen. Noch besser würde es gelingen, wenn Unternehmen mehr auf recyclingfreundliche Verpackungen setzen würden. „Wir müssen beim Design von Verpackungen zum Beispiel mehr darauf achten, dass wir größere vergleichbare Kunststoffmengen haben, die dann auch wirklich in den Wiederverwendungsprozess gehen“, sagt der Europaabgeordnete der CDU, Karl-Heinz Florenz. Auch die Bundesregierung kennt das Problem und will die Verwendung von nicht recycelbaren Kunststoffen mit einem neuen Verpackungsgesetz einschränken.

Aus Plastikmüll wird wieder Plastik

Die Ballen aus Berlin werden im Anschluss zu verschiedenen Unternehmen transportiert, die sich auf die Wiederaufbereitung von Kunststoff spezialisiert haben. Für eine Tonne sortenreinen Kunststoff gibt es ungefähr 200 Euro. Daraus wird in den Verwertungsanlagen ein Materialwert von 1000 Euro pro Tonne gemacht. Automatisiert wird das angelieferte Plastik geschreddert, gemahlen, getrocknet und nach Gewicht sortiert. Schwere Kunststoffteilchen werden eingeschmolzen und am Ende zu grobkörnigem Granulat verarbeitet. Leichte Partikel werden hingegen zu einem rieselfähigen Agglomerat umgewandelt. Aus Müll ist nach einem technisch aufwändigen Prozess jetzt wieder ein Rohstoff geworden, der von verschiedensten Firmen zum Beispiel zu Blumenkübeln, Gartenstühlen, Verpackungen oder Autoteilen weiterverarbeitet wird (eine Übersicht, in welchen Branchen die Rezyklate eingesetzt werden, liefert das Umweltbundesamt). Der neue, alte Kunststoff hat allerdings einen Haken: Er ist in der Regel minderwertiger als der Ausgangsstoff.

Plastikrecycling immer noch eine Rechnungsfrage

Auch andere Gründe hindern die allermeisten Unternehmen bislang daran, es der beispielsweise Reinigungsmittelmarke Frosch gleichzutun und im großen Stil auf Recyclingverpackungen zu setzen. Vor allem der vergleichsweise hohe Preis für Recyclings-Kunststoff schreckt viele ab. Und: „Die Industrie hat noch immer Berührungsängste und sorgt sich, dass Qualität und Liefersicherheit nicht gewährleistet sind“, sagt ein Sprecher des deutschen Standard-Recyclingsystems Grüner Punkt. Tatsächlich gleichen sich die Rezyklate oft nicht, weil der verwendete Plastikabfall immer etwas anders zusammengesetzt ist.

Gelber Sack&Co: Deutschland in Vorreiterrolle

Hier ist die Politik gefragt, wie wir umweltfreundlicher mit den Bergen von Plastik umgehen können. Anfang des Jahres hat die EU-Kommission dementsprechend eine Plastikstrategie vorgelegt, die unter anderem vorschreibt, dass bis 2030 alle Plastikverpackungen recycelbar sein sollen. Bislang besteht zwischen den EU-Mitgliedsstaaten schon eine Übereinkunft, dass der Anteil des recycelten Kunststoffmülls bis 2025 auf 65 und bis 2030 auf 70 Prozent gesteigert werden soll. Deutschland, das sich schon 1994 mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz das Thema Recycling auf die Fahnen geschrieben hat und weltweit als Vorbild in Sachen Mülltrennung gilt, gibt sich noch ehrgeiziger: Laut Verpackungsgesetz sollen bis 2022 63 Prozent des Abfalls wiederverwertet werden. „Wir müssen mehr in bessere Recycling- und Sortieranlagen investieren“, fordert so ein Vertreter vom Branchenführer Remondis und ein Blick auf die Klimabilanz des Recyclings gibt ihm recht: Bei der Wiederverwertung von Kunststoff wird deutlich weniger Kohlenstoffdioxid emittiert, als bei der Neuproduktion.

Neben den nötigen politischen Weichenstellungen muss aber auch ein Bewusstseinswandel in unserer Wegwerf-Gesellschaft her. Auf Plastik sollte einerseits so gut es geht verzichtet werden. Andererseits muss Kunststoffabfall nicht bloß als Müll, sondern vor allem als Rohstoff betrachtet werden. Der chinesische Importstopp und seine Folgen dürften dieser Entwicklung einen Schub geben.

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