Auf und ab im Gleichschritt? Zusammenhang von Strom und weltweitem Ölpreis
Die Nachricht sorgte für Aufsehen, schien sie doch auf einen drastischen Wirtschaftseinbruch hinzudeuten: Zu Beginn der vergangenen Woche sackte der Preis für Rohöl kurzfristig ins Minus. Wer ein Barrel (159 Liter) der Sorte West Texas Intermediate aus den USA kaufte, erhielt noch 40 Euro obendrauf. Die einbrechende Nachfrage aufgrund der Corona-Pandemie unter anderem nach Benzin, hatte den Ölpreis für kurze Zeit sogar ins Negative gedrückt.
Die aktuell 13 Ölförderländer der OPEC sowie Russland reagierten auf den Preisverfall und einigten sich in einem bislang beispiellosen Schritt auf eine Drosselung der Fördermenge um etwa zehn Prozent im Mai und Juni, um das Angebot zu verknappen und die Talfahrt der Preise zu stoppen. Bislang bleibt der Erfolg jedoch aus, weil die Nachfrage nach Rohöl aktuell um die dreifache Menge der beabsichtigten Verknappung sinkt und weiterhin nicht abzusehen ist, wann sie wieder steigen könnte. Ein Barrel des amerikanischen WTI kostet aktuell etwa 13 Euro, der europäischen Sorte Brent etwa 20 Euro.
Ölpreisbindung sollte Preise stabilisieren
Diese Zahlen haben auf die Energiekosten in Deutschland großen Einfluss. Am größten ist er beim Erdgas, denn der Gaspreis ist in Deutschland (hauptsächlich) an den Ölpreis gebunden. Konkret bedeutet das, dass der Preis für Erdgas an die Entwicklung der Ölpreise gekoppelt ist: Wird Erdöl teurer, steigt zeitverzögert auch der Gaspreis und umgekehrt sinkt er auch. Diese Bindung wurde in den 1960er Jahren eingeführt, um den Gaspreis stabil zu halten, Investitionen planbarer zu machen und Kunden vor Schwankungen zu schützen. Zwar stehen die Gaspreise nach Entscheidungen des Bundesgerichtshofes mittlerweile mehr im Wettbewerb, doch der Wert des Öls ist nach wie vor das entscheidende Kriterium. Für die Strompreise existiert diese Preisbindung an das „schwarze Gold“ zwar nicht, doch Schwankungen im Ölpreis, die oft auch politische Gründe haben, scheinen auch für die Strommärkte keinesfalls folgenlos zu bleiben.
Die derzeitigen Entwicklungen in der Corona-Krise lassen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Öl- und Strompreis vermuten. In Deutschland sank der Stromverbrauch in der Corona-Krise einer Studie zufolge bislang um acht Prozent. Das ist zwar moderat verglichen mit Italien oder Spanien, wo das Leben viel weitreichenderer lahmgelegt wurde. Aber unter anderem die stark sinkende Nachfrage der Industriekunden, die teilweise nur 10 bis 20 Prozent ihres üblichen Energiebedarfs beziehen, macht sich deutlich bemerkbar. Auch eine erhöhte Internetnutzung in den Haushalten macht das nicht wett.
Strompreis sinkt schneller als der Verbrauch
Noch viel deutlicher als der Verbrauch ging der Preis an der Strombörse in Leipzig zurück, wo Energie nach einem ähnlichen Prinzip wie an der Wertpapierbörse gehandelt wird. Mitte April lag der Preis für kurzfristig lieferbare Strommengen in Deutschland laut energate messenger 41 Prozent unter Vorjahresniveau. Hier zeigt sich möglicherweise ein Phänomen, dass stets aufs Neue zu beobachten ist und besonders in Krisenzeiten deutlich wird.
So hat die Entwicklung des Ölpreises nicht nur direkte Auswirkungen auf die Kosten für Erdgas. Über den Einkaufspreis für Erd- und Flüssiggas, der ohnehin schon auf niedrigem Niveau verlief und im Zuge der Corona-Krise noch weiter sinkt, schlägt die Kurve auch auf die Großhandels-Strompreise durch und zieht sie massiv in den Keller. Je nach weiterem Verlauf der Corona-Krise könnte sich der Trend verstetigen und für dauerhaft niedrige Strompreise für Großabnehmer sorgen. Der Ölpreis erweist sich also nicht nur bei der Preisbildung für Erdgas, sondern auch für Strom als wichtiger Faktor. Sämtliche Energiepreise orientieren sich offenbar stark an der „Leitwährung“ Rohöl, ob nun direkt oder indirekt.
Nennenswerten Einfluss auf den Börsenstrompreis haben abgesehen vom Öl auch die Kosten für die CO2-Zertifikate, die im europäischen Emissionsprogramm gehandelt werden. Wie sich die Preise für Emissionsrechte in den kommenden Monaten entwickeln werden und ob sie den Strompreis eventuell stabilisieren, ist jedoch noch nicht genau absehbar. Ein langanhaltender Abwärtstrend ist aber zumindest noch nicht auszumachen.
Verbraucher profitieren kaum vom billigen Strom
Verbraucher sollten sich trotz dieser für sie vielversprechend klingenden Zahlen jedoch keine Hoffnung auf baldige Preisnachlässe beim Strom machen. Wie geschildert gilt der Großhandels-Preis für Versorger, die Strom an der Börse ein- und dann an ihre Kunden verkaufen. Dabei planen die Versorger meist langfristig. Viele Unternehmen werden sich nun vermutlich mit billiger Energie für die kommenden Jahre eindecken. Dementsprechend werden sich die deutlich gesunkenen Energiekosten erst mit einiger Verzögerung bemerkbar machen.
Drastische Preissenkungen für die Kunden sind aber auch dann eher nicht zu erwarten. Einerseits macht der Einkaufspreis für Strom nur einen kleinen Teil des Endkundenpreises aus. Im Jahr 2019 zahlten deutsche Haushalte durchschnittlich 30,43 Cent je Kilowattstunde. Auf die Beschaffung und den Vertrieb der Energie entfallen davon lediglich etwa 7 Cent, das sind gerade einmal 23,2 Prozent. Andererseits stehen viele Versorger im Verdacht, günstige Beschaffungspreise meist nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weiterzugeben. Vorerst wird sich der niedrige Börsenpreis für Energie auf der Stromrechnung also nicht bemerkbar machen. Daran ändern zum Leidwesen der Verbraucher auch fallende Öl- und Gaspreise nichts.
Weitere Quellen:
Informationen zur Ölpreisbindung Erdgas auf heizsparer.de
Analyse zur Ölpreisentwicklung in der Corona-Krise von Spiegel.de
Videobeitrag von ntv.de zum Strompreistief
Zahlen zu Strompreisen von ispex.de
Daten zu Ölpreis und Energiepreisen auf ispex.de
Umfrage Besucherumfrage von unserem Energieexperten in der Speicherstadt
Am 10. September, dem Tag des offenen Denkmals, wurde die Speicherstadt Hamburg zum Schauplatz einer…
Energiepreise Strompreise für Neukunden kehren auf Vorkrisenniveau zurück
Nach zwei Jahren haben sich die Strompreise für Neukunden wieder auf das Niveau vor Ausbruch der…
Fossile Energien Atomkraft und Erdgas werden von der EU als grüne Energie klassifiziert
Das Europäische Parlament entscheidet sich trotz Kritik von Klimaschützern fürs Ökolabel für die…