Politik & Wirtschaft

Emissionshandel mit Klimazertifikaten: Mechanismen und Probleme

Der internationale Handel mit Klimazertifikaten ist ein sehr komplexes Marktsystem, das in erster Linie den CO2-Ausstoß weltweit eindämmen soll. Für die beteiligten Staaten soll der Klimaschutz im Rahmen des Kyoto-Protokolls lukrativer und einfacher gestaltet werden. Der Emissionshandel birgt aber auch Nachteile – für die Umwelt und den Verbraucher.

Neben dem sogenannten freiwilligen Markt der CO2-Kompensation, wo Verbraucher oder Unternehmen eigenständig ihren Beitrag zur Verbesserung des Klimas leisten können, gibt es auch noch den verpflichtenden Emissionsausgleich auf internationaler Ebene. Im Gegensatz zum freiwilligen Markt ist diese Kompensation im Kyoto-Protokoll beziehungsweise im Pariser Klimaabkommen strikt festgelegt.

Das Kyoto-Protokoll und die Grundidee

Das Kyoto-Protokoll, benannt nach der japanischen Stadt Kyoto, ist ein dort beschlossenes Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1997. Ziel ist es, den Ausstoß der Treibhausgase in den mitwirkenden Ländern durch verbindliche Zielwerte zu senken. An dem 2005 in Kraft getretenen Protokoll beteiligten sich 191 Staaten sowie die Europäische Union, die sich damit zur Senkung ihrer CO2-Ausstöße um 5,2 Prozent verpflichten. Die Ziele für die sogenannte erste Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 konnten erfreulicherweise erreicht werden.

Innerhalb des Protokolls wurden Mechanismen eingebaut, um den Handel mit Emissionszertifikaten zu erlauben. Dahinter steckt die Idee, dass es für das Weltklima unerheblich ist, in welchem Teil der Erde CO2 eingespart werden wird – was zunächst erstmal richtig ist. Dennoch sorgen diese Denkweise auch für Probleme.

„Flexible Mechanismen“ erlauben den Handel mit Emissionszertifikaten

Die Mechanismen, die den Handel mit Emissionsrechten regeln, nennen sich „flexible Mechanismen“. Konkreter kann zwischen drei Instrumenten, über die die Industrieländer verfügen, unterschieden werden.

Der Emissionshandel zwischen zwei Industrieländern ist in Artikel 17 des Kyoto-Protokolls festgelegt. Diese Reglung erlaubt ausschließlich Staaten mit den erlangten Emissionszertifikaten (AAU) zu handeln. Dieses Instrument kommt dann zur Anwendung, wenn ein Land mehr eingespart hat, als festgelegt war und ein anderes Land die Zielwerte nicht erreichen konnte.

Bei der Joint Implementation (JI) in Artikel 6 ist zwar auch die Kooperation zwischen Industrieländern verankert, dieses Instrument zielt aber auf die Finanzierung von Klimaschutzprojekten ab. Ein Land kann Projekte in einem anderen Industrieland durch Technologien oder Geldbeträge unterstützen, wodurch in diesem Land Emissionen reduziert werden. Dadurch erhält das unterstützende Land die eingesparten Einheiten (ERU) und kann sich diese für die eigenen Minderungsverpflichtungen gutschreiben lassen.

Der dritte Mechanismus ist der Clean Development Mechanism (CDM) aus Artikel 12 des Kyoto-Protokolls, der das gleiche Prinzip verfolgt wie die Joint Implementation, allerdings zwischen Industrieland und Entwicklungsland. Die Umsetzung der Klimaschutzprojekte fördert zum einen die Entwicklungsländer und bringt zum anderen den Industrieländern gesparte Einheiten (CER), die auf das „Schadstoff-Budget“ anrechenbar sind. Vorteil für die Staaten ist hier vor allem der Kostenpunkt, da der Klimaschutz in Entwicklungsändern oft günstiger ist.

Voraussetzung für JI- oder CDM-Projekte ist, dass diese Emissionsminderungen zusätzlich stattfinden müssen (Artikel 17). Außerdem müssen die Projekte anerkannt und nach einem international abgestimmten und überwachten Prüfverfahren kontrolliert werden.

Was hat der Emissionshandel bisher bewirken können?

Laut des Umweltbundesamtes und der deutschen Emissionshandelsstelle, die für die Regulierung und Administration in Deutschland zuständig sind, wurden bis Ende 2016 weltweit 7.747 Projekte bei den Vereinten Nationen (UNFCCC) registriert. Die Projekte trugen zu Minderungen von 1,75 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten bei – China liegt dabei mit Abstand vorn. Finanziell gesehen werden durch den Clean Development Mechanismus seit 2004 rund 420 Milliarden Euro in den Klimaschutz gesteckt, hauptsächlich in Wasserkraft und Windenergie.

Auch von Deutschland wurden zahlreiche Projekte durchgeführt: 418 CDM-Projekte und 58 JI-Projekte wurden zugelassen – Tendenz steigend. Bei 25 Projekten ist Deutschland sogar Gastgeberland.

Auch für Unternehmen, die am Europäischen Emissionshandel teilhaben, besteht die Möglichkeit mit den Emissionen zu handeln. Rund 1800 deutsche Betreiber von Anlagen nehmen am Handel mit den Zertifikaten teil. Darunter zählen insbesondere große Feuerungsanlagen sowie die größeren Anlagen der energieintensiven Industrie, wie Stahlwerke, Raffinerien und Zementwerke. Seit 2012 ist auch der EU-Flugverkehr Teil des Emissionshandels.

Internationale Ebene: Pariser Klimaabkommen als Nachfolger

2016 trat das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls in Kraft und die zweite Verpflichtungsperiode wird bis 2020 laufen. Laut der Vereinbarung muss Deutschland bis dahin seine Emissionen um etwa 34 Prozent gegenüber 1990 mindern. Bisher haben insgesamt erst 110 Staaten (Stand 2017) zugesagt ihre Emissionen auch im zukünftigen Zeitraum um 20 Prozent zu senken. Dazu zählen die EU-Länder, Australien und weitere europäische Staaten. Aus dem Abkommen ausgetreten sind Russland, Kanada, Japan und Neuseeland. Deutsche Medien (FAZ, Zeit und Welt) bezeichneten das Ergebnis als einen „Mini-Kompromiss“, da nur noch Staaten mit zusammen 11-13 % des weltweiten Ausstoßes mitwirken. Damit kann bei weitem nicht das Ziel erreicht werden, die Erderwärmung auf 2 °C zu senken. Neben den eigentlichen Klimazielen enthält der Kyoto-II-Vertrag auch Neuerungen wie den sogenannten Anpassungsfonds. Ob Deutschland die Vereinbarungen einhalten kann, ist noch unklar. Das Bundesumweltministerium rechnet nur mit einer Minderung von etwa 32 Prozent.

Im Herbst 2015 hat die internationale Staatengemeinschaft mit dem Pariser Klimaabkommen noch ein neues Regelwerk ins Leben gerufen. Anders als beim Kyoto-Protokoll wurde erkannt, dass die bisherige Methode nur bedingt geeignet ist. Stattdessen sieht das Abkommen ein iteratives Verfahren vor, bei dem die Länder ihren Beitrag zur gemeinsamen Zielerreichung alle fünf Jahre erhöhen, nachdem sie Bilanz über ihre Fortschritte gezogen haben.

Russlands vermeintliche Reduzierungen und die Auswirkungen der Klimazertifikate

Obwohl das Ziel der ersten Periode erreicht werden konnte, steckte hinter den erstmal positiven Zahlen ein Problem. In den 90er Jahren mussten in Russland aus ökonomischen Gründen viele energieintensive Industrieanlagen schließen, wodurch zwangsläufig auch die Emissionen des Landes stark sanken. Das bedeutete um Umkehrschluss, dass Russland – ohne auch nur eine Maßnahme getroffen zu haben – großzügig die erhaltenen Emissionszertifikate verkaufen konnte. China oder Indien brauchten dadurch nicht mehr auf ihre Minderungen zu achten.

Hier liegt nicht das einzige Problem der Kyoto-Protokolle. Viele der Emissionsrechte wurde im Jahr 2012 an die Betreiber von Kraftwerken vergeben – zu Lasten der Verbraucher. Die Logik der Energieanbieter scheint dabei absurd. Die kostenlos erhaltenden Zertifikate behalten sie, anstatt sie zu verkaufen. Dadurch entsteht bei ihnen ein „Verlust“, der kostenmäßig einfach auf den Stromverbraucher umzuwälzen ist: Schätzungen gehen von Netto-Zusatzprofiten der Energiewirtschaft von weit über fünf Milliarden Euro jährlich aus. Glücklicherweise wurde das Problem 2013 erkannt und behoben – der entstandene Schaden allerdings nicht.

Kritisiert wird auch immer häufiger, dass die Klimaverschmutzung – hervorgebracht durch globale Marktstrukturen – durch einen „neuen Markt“ bekämpft werden soll. CO2 wird beispielsweise auch beim unvorhersehbaren Anstieg von erneuerbaren Energien in gleichem Maße ausgestoßen: Die Einsparungen, die Energieanbieter durch erneuerbare Energien bekommen, können problemlos an Stahlunternehmen verkauft werden. Ein Teufelskreis, der den Klimaschutz kein Stück voran bringt.

Der Handel mit Emissionszertifikaten: klimafreundlich oder das Ziel verfehlt?

Was auf den ersten Blick durchaus positiv und klimafreundlich scheint, birgt also Probleme und Risiken, die oberflächlich kaum erkennbar sind. Dennoch ist es auch nicht richtig, das Klimaabkommen komplett abzulehnen. Immerhin konnten zahlreiche Projekte umgesetzt werden und die Zielwerte der ersten Verpflichtungsperiode wurden erreicht. Für die zweite Periode scheint die Erreichung der Zielwerte zwar in weite Ferne zu rücken, trotzdem konnte der CO2-Ausstoß weltweit gesenkt werden. Im Nachfolgermodell – dem Pariser Klimaabkommen – wurden zwar einige Verbesserungen umgesetzt, aber angesichts der momentanen amerikanischen Politik läuft auch diesmal nicht alles optimal. Besonders scheint der Handel besser reguliert werden zu müssen, um unerwünschte Nebeneffekte ausschließen zu können. Voraussetzung dafür ist ohnehin, dass sich nicht nur wenige Staaten dazu bereit erklären, sondern ein globales Klimaabkommen her muss, dem auch Verweigerer wie die USA beitreten müssen. Das Abkommen ist letzten Endes nur so ehrgeizig und wirkungsvoll, wie die Länder selbst.

Weitere Quellen:
Umweltbundesamt

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