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Energie-Vergleichsportale: Sinnvolle Orientierung oder Betrug am Verbraucher?

Rund 800 voneinander unabhängige Stromversorger und 700 Gasversorger gibt es in Deutschland. Die Suche nach einem günstigen Energieanbieter gestaltet sich seit der Liberalisierung des Marktes im Jahr 1998 oft schwierig. Energie-Vergleichsrechner sollen Abhilfe schaffen, geraten aber immer mehr in die Kritik von Verbraucherschützern. Doch was ist dran an den Vorwürfen der Intransparenz und wer profitiert letztendlich von wem?

Ende Januar diesen Jahres meldete der durch massive Preiserhöhungen in die Kritik geratene Stromdiscounter Bayerische Energieversorgungsgesellschaft (BEV Energie) Insolvenz an – zum Ärgernis einer halber Million Kunden, die lange auf die Auszahlung der versprochenen Boni warteten und nun wohl nicht mehr darauf hoffen können. Drei Wochen später wurde darüber hinaus die Zahlungsunfähigkeit des Mutterkonzerns Genie Holding AG öffentlich.

Insolvenz der BEV lässt Kritik laut werden

Die BEV wurde vor ihrer Pleite bei gängigen Stromvergleichsportalen gelistet – und zwar auf den oberen Plätzen. Zweifel erweckt die Diskrepanz zwischen zwei Sachverhalten: Auf der einen Seite die zahlreichen Verbraucherbeschwerden über die BEV in Online-Beschwerdeportalen noch vor der Pleite des Unternehmens und auf der anderen Seite die gleichzeitige Listung auf den oberen Plätzen der Vergleichsportale und die dort vorherrschend positiven Bewertungen durch Verbraucher. Licht ins Dunkel bringt die Verbraucherzentrale Bayern, die öffentlich machte, dass die BEV bis Herbst 2017 für positive Bewertungen durch Kunden Vergütungen von 50 oder 100 Euro versprach. Das Unternehmen konstatierte zwar, man habe sowohl für positive als auch für negative Bewertungen bezahlt, eine Abmahnung und anschließende Klage vor dem Landgericht München durch die Verbraucherschützer gab es allerdings trotzdem. Daraufhin reagierte das Unternehmen laut eigener Aussage mit Änderungen in entsprechenden Kundenanschreiben.

Seriöse Orientierung im Tarifdschungel durch Vergleichsportale im Internet

Dennoch bleibt die Frage, wie vertrauenswürdig Online-Vergleichsrechner sind. In der angedachten und durchaus erstrebenswerten Theorie profitieren Verbraucher, da die Portale das Vergleichen von Preisen und Konditionen für sie übernehmen und das Gesamtangebot überschaubar machen – dies bedeutet weniger Arbeit, mehr Effizienz und letztendlich auch das Finden des gewünschten Angebots. Lediglich durch die Angabe der Postleitzahl und des Jahresverbrauchs an Kilowattstunden lässt sich innerhalb kürzester Zeit bei diversen Vergleichsportalen eine Auflistung von Tarifen aufrufen, die in den Grundeinstellungen normalerweise preislich geordnet sind. Einen derartigen Vergleich durch das Aufrufen der Webseiten der einzelnen Versorger selber zu erstellen würde sehr viel mehr Zeit und Mühe kosten – vor allem wenn man sich im Energiemarkt nicht gut auskennt. Außer Frage steht somit, dass Vergleichsportale dem Verbraucher eine gewisse Orientierung in einem unübersichtlichen Markt mit einer Fülle von Tarifen bieten.

Eine Studie der Verbraucherzentralen für das Projekt „Marktwächter Digitale Welt“ aus dem Jahr 2016, unterstützt vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, kam allerdings zu dem Ergebnis, dass ähnlich funktionierende Vergleichsportale für Telekommunikationstarife oder Flüge nicht geeignet seien, um den günstigsten Preis zu finden. Immerhin: im Energiebereich könnten sie, so die Verbraucherschützer, eine sinnvolle Hilfe sein. Dennoch betonten sie, dass viele Portale durch dieselbe Muttergesellschaft verbunden seien. Die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit der Internet-Rechner sei für die Verbraucher jedoch nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Mitte 2017 konstatierte das Nachrichtenmagazin Spiegel Online: „Vergleichsportale[…] sind längst nicht so ‚neutral‘ und ‚unabhängig‘, wie sie gerne behaupten“.

Strommarktliberalisierung öffnet den Wettbewerb

Um das Geschäftsmodell der Internetportale im Bereich Energie zu verstehen, lohnt ein Blick rund 14 Jahre zurück. Mit der zweiten Novelle des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts wurde in Deutschland die Liberalisierung des Strom- und Gasmarkts endgültig umgesetzt. Stromerzeugung, Transport und Vertrieb sind seitdem voneinander getrennt. Eine Vielzahl zusätzlicher Anbieter, die Energie lediglich vertreiben, trat deshalb in den Wettbewerb mit den bisherigen Versorgern. Darunter waren von Beginn an auch viele Discounter, die versuchen Kunden mit günstigen Preisen, Boni, Wechselprämien und Preisgarantien zu locken.

Vergleichsportale lukrative Schnittstelle zwischen Anbieter und Kunden: Risiko der Irreführung steigt

Zur marktführenden Schnittstelle zwischen dem unübersichtlichen Tarifdschungel und den Verbrauchern sind Tarifportale wie Verivox (gegründet 1998) oder Check 24 (1999) avanciert. Für die Anbieter ist es enorm bedeutsam, in den Rankings dieser bekannten Portale weit oben zu landen. Allein der Vergleich mit gängigen Suchmaschinen macht das deutlich: Dort scrollt man ja auch selten bis ans Seitenende und auf Seite 2 der Suchergebnisse klickt schon gar niemand. Mit welchen Mitteln Stromdiscounter oben auf den Listen landen, ist allerdings nicht immer ganz klar. Oft sind spezielle Voreinstellungen wie beispielsweise eingerechnete Boni ausschlaggebend für die gute Platzierung und nicht zwangsläufig günstige Arbeits- und Grundpreise. Das bedeutet, dass obenstehende Anbieter sich im Endeffekt nicht zwingend als günstig erweisen müssen, weil sich die Preise rasch erhöhen. Zudem sind die Portale auch daran interessiert, jene Unternehmen hoch zu ranken, die Ihnen für jeden Vertragsabschluss eine Provision zahlen. Neben Werbeeinnahmen sind solche Vermittlungsprovisionen die Haupteinnahmequelle der Portale – der Umsatz liegt bei den großen Namen längst im dreistelligen Millionenbereich. Dementsprechend steht zumindest die Frage im Raum, ob jene Anbieter, von deren Provisionen die Webseiten leben, eventuell bevorzugt angezeigt werden.

Während die Tarifportale mit den Vermittlungsprovisionen ein gutes Geschäft machen, lohnt sich die gezahlte Vergütung auch für Strom- und Gasversorger, insbesondere Discounter. Sie gehen mit den Tarifrechnern gewissermaßen eine Symbiose ein, denn viele Stromverträge kommen nur aufgrund der Vermittlung im Internet zustande. Schaut man sich die Zahlen an, lässt sich erahnen, wie attraktiv das Wechselgeschäft sein kann: Etwa 3,6 Millionen deutsche Haushalte wechselten im Jahr 2016 ihren Stromanbieter freiwillig, also ohne beispielsweise einen Umzug als Grund. 1,5 Millionen waren es beim Gas. Die Bereitschaft, den Stromanbieter noch zu wechseln, ist seit Jahren konstant hoch. So gaben 2018 umgerechnet 2,8 Millionen Deutsche an, ihren Stromanbieter bestimmt wechseln zu wollen, 9,9 Millionen haben das vielleicht vor. Gleichzeitig lassen sich noch zwei Drittel der Deutschen von ihrem Grundversorger beliefern – das Potenzial ist also riesig.

Vergleichsportale: Greift der Staat bald ein?

Im besten Fall können Stromanbieter, Verbraucher und Tarifportale gleichermaßen von der Vermittlungsleistung im Internet profitieren: eine Win-Win-Win-Situation sozusagen. Zu häufig steht seit Jahren allerdings der Verdacht im Raum, dass der Verbraucher im Zweifel das Nachsehen hat. Die Pleite der BEV Energie hat dieses Misstrauen erhärtet und lässt weitere Zweifel an der Transparenz und Objektivität von Vergleichsrechnern aufkommen. Das könnte Folgen für Verivox und Co. haben: Das Bundesministerium für Verbraucherschutz prüft, ob die Vergleichsportale zukünftig stärker überwacht werden sollen.

Weitere Quellen:
Artikel der Hannoverschen Allgemeinen zu BEV-Praktiken
​​​​​​​Artikel zu Vergleichsportalen der Süddeutschen Zeitung​​​​​​​

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