Plastikmüll: Handlungsbedarf für Verbraucher und Politik
Was haben 880.000 Eiffeltürme, 25.000 Empire State Buildings und eine Milliarde Elefanten gemeinsam? Ihr unglaubliches Gewicht von 8,3 Milliarden Tonnen. Das entspricht dem Gewicht der produzierten Plastikmenge weltweit: ein riesiger Berg, der sich seit den 50er Jahren anhäuft, seitdem der Kunststoff sich mit seiner preisgünstigen Herstellung durchsetzte.
Genau diese Zahl haben Wissenschaftler einer amerikanischen Studie zur globalen Plastik-Produktion berechnet. Eine weitere Erkenntnis: Gerade einmal 9% des Plastikmülls wurden bisher recycelt, weitere 12% verbrannt, der Großteil mit ganzen 79% hat sich auf Deponien oder in der Natur angesammelt. Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, werden sich ebenda bis 2050 rund 12 Milliarden Tonnen des Kunststoffmülls angesammelt haben, so die beunruhigende Warnung der Forscher.
Plastikpartikel als Bedrohung für Tier und Mensch
Die Plastikansammlung hat gerade für die Umwelt dramatische Folgen, besonders für die Lebewesen in den Ozeanen. Bis zu 10 Millionen Tonnen Müll werden jährlich in die Meere gespült, davon bestehen etwa 75 Prozent aus Kunststoff. Alleine in der Nordsee sind dies mehr als 20.000 Tonnen Müll jährlich. Der Großteil des Mülls sinkt bis auf den Meeresboden herab und zersetzt sich durch Salzwasser und Sonne nur sehr langsam. Nach und nach werden Kleinteile an die Umgebung abgegeben. Viele Meeresbewohner verwechseln den Müll infolgedessen mit ihrer natürlichen Nahrung und verenden; Robben, Delfine, Wale und Schildkröten verfangen sich derweil in alten Fischernetzen, verletzten sich oder ertrinken. Auch das Erbgut der Meereslebewesen wird nachhaltig gefährdet, denn Zersetzungsprozesse lösen die Freisetzung gefährlicher Inhaltsstoffe aus und ziehen Umweltgifte an, die von Muscheln und Korallen filtriert werden.
Als neuerliche Hiobsbotschaft wurde in den letzten Jahren bekannt, dass die in vielen Kosmetika enthaltenen Plastikpartikel (auch Mikroplastik genannt) durch lokale Abwässer in die Kläranlagen gelangen und nur teilweise herausgefiltert werden. Der Rest gelangt in Flüsse und Meere und gefährdet erneut die ansässigen Lebewesen. Ob das Mikroplastik auch der Gesundheit des Menschen schadet wird vermutet, ist bisher aber nicht ausreichend belegt.
Das Problem ist ein weltweites und wahrscheinlich viel zu lange hinten angestellt worden, dennoch ist in den letzten Jahren Bewegung in die Sache gekommen. Europa soll und muss sich genauer mit Maßnahmen und möglichen Lösungsansätzen zu befassen.
Bundesregierung initiiert Forschungsprogramm
Als Basis für mögliche Handlungsschritte startete in Deutschland das Bundesforschungsministerium 2015 ein EU-weites Forschungsprogramm für den Meeresschutz. Ziel der Studie ist die Erforschung der Plastikverbreitung in den Ozeanen und letztendlich eine erfolgreiche Bekämpfung und Prävention. Das Programm, an dem sich zehn weitere EU-Staaten beteiligen, wird mit einer Gesamtfördersumme von 7,5 Millionen Euro unterstützt. Eine Summe, die angesichts der Dringlichkeit höher hätte ausfallen können.
Reduzierung von Plastiktüten zeigt Wirkung und ist dennoch nicht genug
Um den Plastikkonsum im Einzelhandel zu reduzieren, haben sich Handel und Politik hierzulande ebenfalls 2015 über eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Bezahlpflicht oder zum Verzicht auf Kunststofftragetaschen geeinigt – mit ersten Erfolgen. Nach einem Jahr zog der Handelsverband Deutschland Bilanz. Das Ergebnis: 2016 verbrauchten die Deutschen ein Drittel weniger Plastiktüten als im Jahr zuvor, wie Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung belegten. Der Tütenverbrauch verringerte sich demnach um zwei Milliarden, entsprechend einem Pro-Kopf-Verbrauch von 45 Tüten im Jahr 2016 gegenüber 68 Tüten im Vorjahr. Ein guter Schritt in Richtung Einhaltung der EU-Richtlinie, wonach sich der Plastiktütenverbrauch in den Mitgliedsstaaten bis 2019 auf 90 Tüten und bis 2025 auf 40 Tüten pro Einwohner und Jahr reduzieren soll. Aber kann die Maßnahme mehr sein als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Plastiksteuer - Strategie mit Zukunftsaussicht?
In Europa sieht man trotz des Erfolges weiteren Handlungsbedarf. Die EU-Kommission hat deshalb kürzlich vorgeschlagen, eine Plastiksteuer einzuführen. Zweifel an der Effizienz solch einer Steuer nährt jedoch nicht nur der Umstand, dass der Umweltschutz nicht der einzige Antrieb für eine derartige Zwangsabgabe zu sein scheint: der EU-Haushalt könnte durch die Einnahmen profitieren und damit beispielsweise Einbußen durch den Brexit relativieren. Durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union fehlen laut EU-Kommissar Oettinger, der das Projekt in Brüssel vorgestellt hatte, jährlich zwischen 12 und 13 Milliarden Euro. Laut Kritikern ist es außerdem nicht klar, ob eine derartige Abgabe überhaupt eine Lenkungswirkung besitzen würde. Um den Plan durchzusetzen müssen generell alle Mitgliedsstaaten der EU zustimmen – auch das gilt als fraglich.
China: Stopp des Imports von Plastikmüll
Allerdings müssen Lösungen her, schließlich will der bislang wichtigste Müllimporteuer China, bei dem immerhin 56% aller weltweiten Plastikabfälle ankommen, keine weltweite Müllkippe mehr sein. Seit Jahresbeginn dürfen insgesamt 24 Abfallarten nicht mehr eingeführt werden, darunter sogenannte Haushalts-Altkunststoffe. Dies meldete die chinesische Regierung der Welthandelsorganisation (WTO) und berief sich dabei auf den Schutz der Umwelt und des Menschen. China sieht in dem Importverbot einen Erfolg und will dazu beitragen das weltweite Konsummodell zu hinterfragen.
Zwar gibt die EU-Gesetzgebung vor, exportierten Müll nach bestimmten Standards zu recyceln, jedoch fehlt in der Realität die nötige Transparenz, um dies sicherzustellen. Die großen Mengen an Kunststoffabfall, die in Deutschland anfallen, müssen so in Zukunft einen anderen Weg finden, wenn der Export nach China wegfällt. Steuerliche Anreize oder Mindestvorgaben für den Einsatz von Sekundärrohstoffen, so eine Forderung des Abfallsverbandes BDE, könnten ein erster Schritt zu der größeren Nutzung privater Recyclingunternehmen sein. Den Fokus auf die Verbrennung zu legen, wird aufgrund der Auslastung heimischer Verbrennungsanlagen schwierig und ist zudem wegen der CO2-Bilanz hinsichtlich des Umweltschutzes keine Alternative für die Zukunft.
Mallorca als möglicher Vorreiter mit geplantem Abfallgesetz
Auch die balearische Insel Mallorca hat mit Müll zu kämpfen, wenn auch in kleinerem Ausmaß als China. Die beliebte Ferieninsel lockt jährlich nicht nur 13 Millionen Touristen an, sondern auch riesige Berge Müll, die die Urlauber hinterlassen. Dagegen will die Regierung Mallorcas nun vorgehen und fordert ein Gesetz, dass den Plastikmüll langfristig reduzieren soll. Der Plan: ein Verbot von nicht-recycelbaren Wegwerfartikeln, wie Tragetaschen, Kaffeekapseln, Plastikbesteck und -geschirr und Trinkbechern. Zusätzlich sollen durch mehr Trinkwasserbrunnen an Stränden, Schulen und Verwaltungsgebäuden Plastik-Kanister vermieden werden. Ab 2020 könnte der Markt sich rigoros ändern, wenn Hersteller nur noch recycelbare Materialien verwenden dürfen. Nach dem neuen Gesetzesentwurf soll zudem bis 2030 Dreiviertel des gesamten Verpackungsmülls recycelt werden. Zur Durchsetzung muss bisher noch die Zentralregierung in Madrid zustimmen.
Plastikfrei in die Zukunft?
Insgesamt wird deutlich: Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die negativen Folgen einzudämmen. Auch die Politik hat das Problem erkannt und setzt sich Schritt für Schritt dafür ein, dagegen vorzugehen. Dennoch fehlen bisher konkrete Maßnahmen, die beim Verbraucher ankommen – das Problem wächst derweil zu einem riesigen Berg heran.
Weitere Quellen:
Beitrag von N-TV
Bericht von NABU
Beitrag von UTOPIA zur Plastik-Steuer
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