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Atlantropa – ein gigantisches Bauvorhaben

Die Adria lässig zu Fuß durchqueren, die Balearen als eine Insel auf der Karte finden, die Côte d’Azur liegt nicht mehr direkt am Meer oder die Deutsche Bahn bringt Fahrgäste ohne Umwege von Berlin direkt nach Kapstadt. So ähnlich hätte die Zukunft aussehen können - wenn das Mammut-Projekt „Atlantropa“ gebaut worden wäre.

Atlantropa oder auch Panropa, wie es anfänglich genannt wurde, bezeichnete in der Hauptsache den Bauplan eines gigantischen Staudamms vor Gibraltar, der die Meerenge zwischen Europa und Afrika miteinander verbinden und das Mittelmeer vom Atlantik trennen sollte.
Die Pläne für dieses Mega-Projekt kamen 1928 von Herman Sörgel, für den diese Planung so etwas wie ein Lebenswerk war. Der in Regensburg geborene Sörgel gilt als Architekt des Expressionismus. Auch wenn über andere Bauwerke und –vorhaben wenig bekannt geworden ist, so hat er Zeit seines Lebens versucht, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, trotz schwieriger Zeiten durch Wirtschaftskrise und den Aufstieg des Nationalsozialismus.
Seine Idee damals war folgende: Durch die Verdunstung solle der Mittelmeerpegel über Jahrzehnte kontinuierlich abnehmen und bis zu 100 Meter absinken, da man davon ausging, dass Wasser vom Atlantik ins Mittelmeer fließt und so die natürliche Wasserquelle versiegen würde. Durch riesige Wasserkraftwerke würde diese Differenz dauerhaft erhalten bleiben, um auf den frei werdenden Landflächen einen zweiten Staudamm zwischen Sizilien - das mittlerweile mit dem italienischen Stiefel verbunden wäre - und Tunesien zu errichten, der den östlichen Teil des Meeres um weitere 100 Meter absenken ließe. Auch hier würden Wasserkraftwerke Wasser in den östlichen Teil leiten.

Was wären die Vorteile von Atlantropa gewesen?

Man ging damals davon aus, dass mithilfe dieses Riesenstaudamm-Projekts insgesamt 50.000 Megawatt Leistung entstehen könnten, was umgerechnet der Leistung von 40 Atomreaktoren entsprochen hätte. Sörgel hatte bereits zu seiner Zeit vor der Endlichkeit fossiler Energieträger gewarnt und damit die energiepolitische Unabhängigkeit angepriesen.
Durch das Absenken des Mittelmeeres wären laut den Hypothesen Sörgels zusätzlich umgerechnet 66.000 Quadratkilometer neues Kulturland entstanden. Für Nordafrika rechnete Sörgel sogar mit 1.000.000 Quadratkilometern neuer Nutzungsfläche, davon auch große Teile der Sahara.
Neben der Land- und Energiegewinnung sah der bekennende Pazifist Sörgel noch einen weiteren positiven Effekt in seinem Projekt: Eine Verschmelzung der beiden getrennten Kontinente durch direkte Landverbindungen oder über die riesigen Staudämme. Mit dem Zug von Berlin direkt nach Südafrika oder mit dem Auto von Madrid nach Marokko reisen – alles völlig normal. Sörgel, der eine vorurteilbehaftete Einstellung zur afrikanischen Bevölkerung besaß, sah in seinem Anliegen die Chance für Frieden in Europa, da Atlantropa einen Zusammenhalt der Nationen nötig mache und stärken würde. In seiner Vision wäre durch die Verbindung ein Superkontinent entstanden, was seiner Ansicht nach auch im Hinblick auf die starken Kontinente Amerika und Asien eine Notwendigkeit darstellte.

Atlantropa mit gigantischen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt

Im Schatten der visionären Pläne des Ideengebers Sörgel lieferte das Projekt Atlantropa mit seiner enormen Größenordnung auch viele Nachteile auf verschiedensten Ebenen. Durch das Absenken des Meeres wären nicht nur neue Landflächen sondern auch gleichzeitig neue Küstenlinien entstanden. Küstenstädte des Mittelmeers hätten ihre Häfen komplett verschieben müssen – durch das Absinken des Meeresspiegels über viele Jahrzehnte hinweg mit ständigen Nachbesserungen. Konkret nennt Sörgel in seinen Ausführungen die Problematik von Venedig: Die weltberühmte Stadt wäre mit der Realisierung von Atlantropa „trocken“ gelegt worden. Um dieses Problem zu umgehen schlug Sörgel vor, einen weiteren Staudamm zu errichten, der Venedig schütze. Schon die Ausführungen zu dieser Idee stieß bei den Mittelmeeranrainern auf wenig Gegenliebe und heftige Kritik.

Noch größer wirkten die Gefahren durch tektonische Veränderungen, die die Staudämme (ganz abgesehen von terroristischen Taten) in Gefahr hätten bringen können, hinzu kamen bekannte vulkanische Aktivitäten in der Mittelmeerregion. Man konnte nur darüber spekulieren, was der geringere Druck durch das Absenken des Wasserapiegels für den sensiblen Meeresboden bedeutet hätte. Gleiches galt für die Auswirkungen auf die Vegetation und Tierwelt durch die weitgreifenden Veränderungen.

Nationalsozialismus machte Pläne zunichte

Hätte, wäre, wenn: Durch das Aufkommen des Nationalsozialismus verloren sich Sörgels Ideen und Vorstellungen des Superstaudamms. Viele der Architekten und Bauingenieure, die für und mit Sörgel arbeiteten, mussten untertauchen. Zwar waren Pläne von Adolf Hitler ähnlich aufwendig und zum Teil größenwahnsinnig, allerdings hatte der Visionär Sörgel kein Interesse an einer deutschen Großmacht, er wollte viel lieber ein gemeinsames Europa. Das NS-Regime sah Atlantropa in diesem Sinne sehr kritisch, da es sich mehr um ein Projekt zum Friedenserhalt zwischen den Völkern handelte.

1958 wurde nochmals im zwischenzeitlich eingerichteten Atlantropa-Institut über das Großprojekt diskutiert. Die Teilnehmer des Kuratoriums kamen überein, dass Atlantropa nicht mehr zeitgemäß sei. Einer der Teilnehmer, der Wasserkraft für Europa nicht für notwendig hielt, war Siegfried Bahlke, der damalige Bundesatomminister. Damit endete das Projekt für immer.

Quellen:
Artikel aus der Zeit
Artikel aus der Welt
Europa-Afrika: ein Weltteil, von Hermann Sörgel

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