BTW 2017 - Grüne: "Es ist an der Zeit, dass Deutschland bei Klima- und Energiefragen [..] Führungsrolle übernimmt."
Die Energiewende ist beschlossen, die Pariser Klimaziele gesetzt und regenerative Energien sind auf dem Vormarsch. Energie scheint ein Thema, das im Wahlkampf wenig Kontroversen aufwirft. Doch Deutschland wird sein Klimaziel für 2020 voraussichtlich verfehlen, Elektromobilität will auf deutschen Straßen nicht ankommen und nicht zuletzt zeigt die Diesel-Affäre, dass Klimaschutz zwar auf dem Papier festgeschrieben wurde, die Realität dem Anspruch aber kaum nachkommt. Grund genug vor der Wahl bei Energiepolitikern aller Parteien nachzufragen, wie sich das ändern soll. In Teil 3 unserer Serie sprechen wir mit Oliver Krischer, einem der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen.
Herr Krischer, vor Kurzem habe ich in der Zeit einen Artikel von Bernd Ulrich über die Grünen gelesen, wo er schrieb, dass die Regierungsabwesenheit der Grünen während der letzten 12 Jahren ein - ich zitiere- „mittleres ökonomisches und ökologisches Desaster“ sei. In dem Artikel deutet er vor allem auf den Diesel- und Kartell-Skandal in der Autoindustrie hin, aber auch auf die schleppende Energiepolitik. Um es mal mit seinem Titel zu fragen: Wäre das mit den Grünen nicht passiert?
Oliver Krischer: Man kann ganz klar sagen, was wir im Moment erleben, dass eine gesamte Industrie in einer umweltpolitischen Frage tricksen und täuschen kann, hat man mit grüner Regierungsverantwortung noch nicht erlebt. Dass man hier der Industrie so freie Hand lässt, dass sie Gesetzesbestimmungen umgehen kann, da sind wir Grünen klar, so etwas geht nicht, ebenso dass Deutschland in den letzten acht, neun Jahren praktisch keine Emissionsreduktion mehr erreicht hat. Ich glaube, was Bernd Ulrich da geschrieben hat, ist schon richtig. In diesen Fragen fehlt es einfach an ökologischer Priorität innerhalb der Regierung. Es wird zwar viel über Klima- und Umweltschutz geredet, aber wenn es konkret wird, wird immer das Gegenteil entschieden.
Wenn man allerdings weiterliest, kommt Ulrich irgendwann zum baden-württembergischen Ministerpräsident Wilfried Kretschmann. Und den nennt er eine „Geisel der Autolobby“. Werden hier im Grunde genommen grüne Ziele doch durch Regierungsverantwortung geopfert?
Krischer: Das finde ich nicht. Natürlich ist es so, dass man im Regierungshandeln auch immer wieder Kompromisse und Umwege machen muss, die dann vielleicht den Eindruck erwecken, als ob das Ziel nicht mit aller Priorität verfolgt wird. Das bringt das Geschäft leider so mit sich. Ich finde aber gerade das Beispiel Winfried Kretschmann zeigt, dass er eben nicht eine Geisel der Autolobby ist. Er hat vor anderthalb Jahren angefangen, dieses Dieselproblem mit der Autoindustrie zu thematisieren, nach Lösungen zu suchen. Von allen anderen zuständigen Ministerpräsidenten, erst recht vom zuständigen Bundesverkehrsminister, hat man in der Thematik absolut überhaupt nichts gehört. Die haben das komplett ausgesessen und würden das weiter aussitzen, wenn jetzt der öffentliche Druck durch das Autokartell nicht so groß wäre. Insofern mag so mancher Anschein, den Winfried Kretschmann an der einen oder anderen Stelle gibt - auch wenn ich nicht alles richtig finde, was er manchmal getan hat - so sein, aber die Grundrichtung ist auch bei Winfried Kretschmann völlig klar.
Sie sprechen von Umwegen, welche meinen Sie?
Krischer: Sie müssen natürlich zuerst gucken, dass sie eine vorhandene Autoflotte sauberer kriegen. Das muss die absolute Priorität sein. Damit muss man erstmal auch Dieselfahrzeuge auf der Straße halten. Es wäre viel besser, wenn wir gleich auf Elektromobilität umsteigen würden, das ist aber wirtschaftlich nicht machbar. Das ist vor allen Dingen den Menschen, die in gutem Glauben an ein sauberes Fahrzeug, vielleicht noch letztes oder vorletztes Jahr einen Diesel gekauft haben, wirtschaftlich nicht zuzumuten. Da gibt es auch eine klare Verantwortung der Autohersteller. Manchmal muss man nach pragmatischen, praktischen Lösungen suchen, um ökologische Ziele zu erreichen, die dann irgendwie so ein bisschen wirken, als ob man die Interessen der Industrie unterstützt.
Sie waren ja Obmann im Abgas-Untersuchungsausschuss und haben gesagt, dass sie ein Dieselverbot generell nicht unterstützen, es aber doch als letzte Maßnahme diskutiert werden müsste. Wie wollen Sie denn verhindern, dass am Ende die Dieselbesitzer eben nicht mehr mit ihrem Auto fahren dürfen?
Es muss darum gehen, dass die 14 Millionen Dieselfahrzeuge, die heute auf unseren Straßen fahren, sauber gemacht werden. Ein Großteil davon hat nur dadurch seine Zulassung bekommen, dass die Automobilhersteller getrickst und betrogen und Herr Dobrindt und seine Leute weggeguckt haben. Inzwischen hat die Autoindustrie das ja selber verstanden. Wir sind zwei Jahre lang von den Herren ausgelacht worden, als wir das gefordert haben. Inzwischen sagen sie selber, dass sie da eine Verantwortung tragen. Da werden jetzt Software-Lösungen und sonst was vorgeschlagen, ich glaube aber, dass es damit nicht getan sein wird. Man wird, wie es in der Vergangenheit in Deutschland schon einmal gelaufen ist - Stichwort Partikelfilter - die Fahrzeuge nachrüsten müssen. Selbstverständlich auf Kosten der Hersteller, schließlich haben die das Problem versursacht. Man darf das nicht bei den Dieselfahrern abladen, die sich ja teilweise ein sehr teures Auto gekauft haben in dem Glauben es sei alles in Ordnung und jetzt müssen sie feststellen, dass sie betrogen worden sind.
Mit Ihnen würde es demnach keine Steuerumlegung auf Verbraucher und Bürger für eine Dieselfahrzeugnachrüstung geben?
Krischer: Nein, ich finde ganz entscheidend, dass alles, was mit diesem Dieselskandal verbunden ist, von den Herstellern übernommen wird. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass das so gelaufen ist. Die deutschen Autohersteller haben 2016 30 Milliarden Euro Gewinn gemacht, die Kassen sind absolut voll. Wenn man Gewinne gemacht hat, mit tricksen und betrügen - und das streitet inzwischen keiner mehr ab - dann ist man auch in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das Problem gelöst wird.
Wenn wir auf das größere Bild Verkehr schauen, hatten Sie auch schon gesagt: Der Verkehr ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland und bisher hat sich eigentlich fast nichts getan, die Werte sind sogar gestiegen. Auch die Einführung der Elektroprämie hat im Grunde genommen nichts gebracht. Es wird 2020 definitiv keine eine Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen geben, außer es geschehen noch Zeichen und Wunder. Sie selbst haben die Prämie als „Rohrkrepierer“ bezeichnet. Was wäre Ihre Strategie? Wie wollen Sie die Straßen sauber machen?
Krischer: Die Technologie-Entscheidung ist ein Stück weit gefallen. Die hat der Markt getroffen, übrigens nicht die Politik. Dass es in Richtung Elektromobilität geht, kann man in vielen Ländern der Welt beobachten: In Kalifornien, in China, in Norwegen. Es ist klar, dass Elektrofahrzeuge, weil sie emissionsfrei und abgesehen von der Batterie, technisch viel einfacher und weniger aufwendig sind, eine ganze Menge Vorteile haben. Das führt Tesla uns gerade vor. Wir müssen aber gerade feststellen Sie haben es gerade beschrieben - 10 Jahre macht Frau Merkel jetzt angeblich für Elektromobilität Politik und das ist aber alles gescheitert. Wir haben gerade einmal zwei Prozent der Fahrzeuge oder noch weniger auf den Straßen, die Elektrofahrzeuge sind.
0,07 hatte ich gestern gehört.
Krischer: Richtig, zwei Prozent waren es bei den Neuzulassungen. Deutschland ist Schlusslicht obwohl wir eigentlich mal Leitmarkt werden wollten. Das ist eine katastrophal gescheiterte Politik, wo sich dann auch, bemerkbar macht, dass es eine andere Priorität gab, auch von der Politik, die immer nur den Diesel unterstützt hat und die Autoindustrie. Unser Vorschlag ist die „Mission-E“. Wir müssen das in Deutschland auch wirklich zur Priorität machen, und nicht den Diesel weiter subventionieren, sondern das Geld in die Elektromobilität stecken. Das heißt zum Beispiel, dass wir eine Förderung brauchen, die den finanziellen Nachteil, dass Elektrofahrzeuge heute noch zu teuer sind, bei kleinen Mittelklassenwagen ein Stück weit ausgleicht. Wir brauchen Programme für die Umrüstung von Flotten der ganzen Liefer- und, Pflegedienste, kommunale Fahrzeuge, Taxen. Das sind hunderttausende Fahrzeuge in Deutschland. Da muss es gezielte Anreize geben. Wir brauchen eine klare Priorität für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Ich finde das ehrlich gesagt einen Witz, dass die Bundesregierung noch nicht einmal eine Karte hat, wo alle Ladesäulen, die sie gefördert hat, eingezeichnet sind. Das ist bezeichnend dafür, wie stiefmütterlich dieses Thema behandelt wird. Man muss nur nach Norwegen gucken, die machen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, da kann man sehen, wie es geht. Das bräuchten wir in Deutschland auch.
Zu einem anderen Thema. Die Grünen haben sich als Anti-Atomkraft-Partei etabliert. Das ist heute aber kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Sie wollen die 20 dreckigsten Braunkohlekraftwerke sofort abschalten. Allerdings hat ihre klimapolitische Sprecherin und brandenburgische Spitzenkandidatin Annalena Baerbock dem RBB erklärt, dass sie sich in Brandenburg auf keine Kraftwerke festlegen möchte. Knicken jetzt hier nicht auch die Grünen an wirtschaftspolitischen Interessen ein?
Krischer: Nein, wieso das denn? Wir haben gesagt, wir müssen 90 Millionen Tonnen CO2 im Energiesektor reduzieren. Das sagt übrigens die Bundesregierung, wenn man ihren Klimaschutzplan liest, im Grunde auch. Sie tut nur nichts. Und Emissionen im Stromsektor reduzieren heißt nun mal Kohlekraftwerke abschalten. Ich wohne im rheinischen Braunkohlerevier und gucke auf das Kraftwerk Weißweiler. Da dampft etwas, das ist älter als ich und ich bin auch schon länger nicht mehr bei der Grünen Jugend. Das zeigt einfach, hier werden Strukturen am Leben gehalten, die eigentlich nicht mehr zukunftsfähig sind und wo wir mit den Erneuerbaren Energien und hocheffizienten Gaskraftwerken heute schon Alternativen haben. Wir als Grüne haben gesagt, wir wollen aus der Kohle raus. Wir sind die einzige Partei, die das in der Klarheit sagt und verbinden das auch mit einem Datum. Entscheidend ist aber gar nicht, wann das letzte Kraftwerk abgeschaltet wird, sondern dass wir endlich massiv Emissionen im Energiesektor reduzieren. Dafür müssen in kürzester Frist auch alte Kraftwerke abgeschaltet werden. Mit der Kohleindustrie haben wir schon eine lange Auseinandersetzung, die der Meinung ist, dies gehe aufgrund der Versorgungskette angeblich nicht. Es ist nicht Aufgabe der Oppositionspartei am Ende blockscharf die Namen zu nennen, sondern von der Bundesregierung zu verlangen, sich mit den Betreibern hinzusetzen und zu entscheiden, welche das sind.
Aber jetzt hätten Sie keine Liste mit Kraftwerken?
Krischer: Ich will und kann an der Stelle keine konkrete Liste nennen. Schon alleine deshalb, weil ich über die Daten nicht verfüge, was im Detail aktuell wie betrieben und emittiert wird. Das ist klassisches Regierungshandeln. Es geht ja auch nicht um ganze Kraftwerksstandorte, wir werden aber in relativ kurzer Zeit, wenn wir Paris und die Klimaschutz-Ziele ernst nehmen, eine größere Menge an Blöcken stilllegen müssen. In der Summe 90 Millionen Tonnen, sonst ist das Klimaschutzziel 2020 noch in weiterer Ferne und alles was dazukommt, ist dann auch nicht zu erreichen.
Sie haben auch in Ihrem Wahlprogramm die Forderung nach einem europäischen Mindestpreis für CO2. Das wurde ja schon oft diskutiert und wäre eigentlich ein effizientes Mittel, um in Deutschland die CO2-Einsparungsziele auch aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Damit würden allerdings Braunkohle- und Kohlekraftwerke automatisch aus dem Markt gedrängt werden. Warum dann noch eine Abschussliste?
Krischer: Ein nationaler Mindestpreis ist da eine flankierende Maßnahme. So wird den Betreibern deutlich gemacht, was Blöcke sind, die noch wirtschaftlich betreibbar sind. Das Problem ist, der Mindestpreis betrifft nicht nur Kohle, sondern auch Gas. Das Verrückte passiert beispielsweise in meiner Heimat. Vor den Stadttoren von Köln, steht ein hochmodernes Gaskraftwerk der norwegischen Firma Statkraft, das praktisch immer stillsteht. Ein Mindestpreis würde, im Vergleich zur Kohle, dieses Kraftwerk in den Markt bringen, oder zumindest dafür sorgen, dass es öfter läuft und seinen Beitrag leisten kann. Mit viel, viel weniger CO2-Emissionen als jedes Kohlekraftwerk.
Wenn wir jetzt einen europäischen CO2-Mindestpreis einführen sollten, was an sich eine gute Maßnahme wäre, wie soll das momentan international umgesetzt werden. Das G8 Treffen hat ja beispielsweise gezeigt, dass es extrem schwierig ist, etwas auf internationaler Ebene konzertiert durchzusetzen. Wie wollen Sie das schaffen, dass alle mit an Bord kommen?
Krischer: Das ist genau das Problem. Wir haben einen europäischen Emissionshandel. Den gibt es und der kann nicht reformiert werden, weil einzelne Staaten wie Polen das in Europa blockieren und andere wie Deutschland sich nicht wirklich dafür einsetzen. Die Konsequenz wäre erstmal einen nationalen Preis einzuführen, was die Briten vor Jahren bereits getan haben und was Macron in Frankreich auch will. Wenn Deutschland sich darauf einlässt dann glaube ich, wird es auch in Europa - zumindest in Westeuropa - eine Dynamik geben. Ich bin absolut sicher, dass die Niederlande sich daran beteiligen werden. Die hatten etwas Ähnliches schon einmal, mussten es aber zurücknehmen, weil sie die einzigen waren. Es ist an der Zeit, dass Deutschland bei Klima- und Energiefragen in Europa mit einem innovativen Präsidenten in Frankreich und einer neuen Regierung wieder eine Führungsrolle übernimmt. Europa krankt meiner Ansicht nach auch daran, dass Deutschland hier seit Jahren teilweise sogar eher auf Seiten der Bremser steht. Mit einem nationalen Mindestpreis, der dann in Großbritannien und Frankreich gilt, bin ich mir sicher, dass auch Benelux sehr schnell mit dabei ist und nach meinem Eindruck hätte auch Italien ein großes Interesse daran. Das bringt wieder Dynamik rein, die die Klimapolitik dann auch insgesamt wieder nach vorne bringt.
Also Westeuropa geht vor, Osteuropa und Zentraleuropa folgen?
Krischer: Das Problem ist in meinen Augen, dass immer das Argument Polen benutzt wird. Die würden dann den Kohlestrom nach Deutschland exportieren. Also erstmal gibt es dafür gar nicht die Leitungen und zweitens hat Polen größte Schwierigkeiten die eigene Versorgung hinzukriegen, weil der Kraftwerkspark stark veraltet ist. Ich sehe das überhaupt nicht, dass da irgendeine Bedrohung für den Standort Deutschland herkommen würde. Ganz im Gegenteil, wir in Deutschland bauen eine alternative, erneuerbare Versorgung auf, das funktioniert auch gut. Der Netzausbau zum Beispiel ist noch ein Problem, um das man sich kümmern muss, aber es geht voran.
Sie sagen, dass der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland vorangeht. Das ist auch mit der EEG-Umlage zu verdanken. Die ist aber immer häufiger in der Kritik. Der Handwerksverband hat kürzlich die Abschaffung der EEG-Umlage gefordert und auch viele Experten kritisieren, dass sie die Kosten der Energiewende sozial ungerecht verteilt. Funktioniert die Umlage noch und viel wichtiger: Wird sie noch gebraucht?
Krischer: Wir sagen, dass es an der Zeit ist, die nicht-privilegierten Verbraucher, also diejenigen, die die EEG-Umlage zahlen, an den Erfolgen der Energiewende partizipieren zu lassen. Am lautesten schreit immer die Industrie, die hat aber in Deutschland im Moment die günstigsten Strompreise seit es den liberalisierten Strommarkt gibt. Das hat auch etwas mit dem Ausbau der Erneuerbaren zu tun. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch die Verbraucher profitieren. Das betrifft - genau richtig - die Handwerksbetriebe, aber auch die Privathaushalte. Wir schlagen vor, dass man zwei Dinge macht. Erstens: Die Stromsteuer abschaffen. Die haben Grüne mal mit eingeführt, Ende der 90er Jahre, aber damals war Strom extrem billig in Deutschland. Die Steuer macht heute keinen Sinn mehr. Wir wollen sie ersetzen durch eine sektorübergreifende CO2-Abgabe.
Das Zweite ist, besondere Ausgleichsregelungen, also die Ausnahmen für die Industrie, aus der EEG-Umlage rausnehmen. Das sind etwa fünf Milliarden, also etwa ein knappes Viertel des ganzen Aufkommens. Das soll aus dem Steueraufkommen - also dem Bundeshaushalt - finanziert werden, weil das eine Förderung der energieintensiven Industrie ist. Das wären zwei wesentliche Reformen, die wir an der Stelle für nötig und richtig halten, damit es bei der EEG-Umlage einfach auch gerechter zugeht.
Das heißt, eine finanzielle Neuaufstellung der EEG- Umlage, die dann die Endverbraucher entlasten soll?
Krischer: Genau. Ich glaube, wenn der Wahlkampf vorbei ist, gibt es bei vielen eine gewisse Offenheit, da Veränderungen vorzunehmen. Aber insgesamt muss man auch immer deutlich sagen, wir haben in Deutschland zwar für Privatverbraucher relativ hohe Strompreise, aber keine Strompreise, die Menschen in die Armut treiben. Wenn Menschen ihre Stromrechnung nicht bezahlen können, dann ist das eine Frage von schlechter Sozialpolitik. Deshalb wehre ich mich immer dagegen, was ausgerechnet die als besonders sozial bekannte FDP immer wieder behauptet, dass Energiekosten in Deutschland Armut verursachen. Das ist meines Erachtens nicht richtig. Wir haben zwar relativ teuren Strom, auf der anderen Seite sind Öl und Gas, also das Heizen, im europäischen Vergleich sehr günstig bei uns. Da liegen wir am unteren Ende der Skala.
Es gibt schon Leute, die definitiv Schwierigkeiten haben, ihre Stromrechnung zu bezahlen. Natürlich sind das keine reichen Leute, die plötzlich arm werden, aber Stromarmut ist ein Phänomen, auch wenn die Regierung das nicht so benennen möchte.
Krischer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben 300.000 Stromsperren in Deutschland, wo Menschen ganz offensichtlich die Rechnung nicht bezahlen können. Das ist aber keine Frage der EEG-Umlage, denn selbst wenn diese nicht da wäre, wäre die Stromrechnung zwar nicht ganz so hoch, aber immer noch in einer Größenordnung, dass einige das nicht bezahlen können. Ich finde, da braucht es Veränderungen. Wir haben in Deutschland eine absurde Grundversorgung, die dazu führt, dass die Ärmsten die höchsten Preise zahlen. Und ich kann mich an den letzten Bundestagswahlkampf erinnern, wo ein Herr Steinbrück gefordert hatte, dass müsse sich ändern, das System der Grundversorgung müsse angepackt werden. Da wundere ich mich, wir haben vier Jahre einen sozialdemokratischen Minister in dem Bereich gehabt. Der hat nichts gemacht. Was eigentlich mal erforderlich ist, ist dass wir uns darüber unterhalten, wie wir verhindern können, dass die Ärmsten in unserer Gesellschaft die höchsten Strompreise zahlen. Da wäre beispielsweise die Idee, die Grundversorgung öffentlich auszuschreiben. Ich habe den Eindruck, dass viele Stadtwerkeviele Energieversorger mit der Grundversorgung so einen kleinen Extraverdienst machen, weil sie wissen, die Kunden können oder wollen nicht wechseln. Das wäre ein Thema, bei dem man Menschen, die die Stromrechnung nicht bezahlen können, tatsächlich auch konkret helfen könnte. Das ist weniger eine Debatte um die Organisation der EEG-Umlage, sondern darum, dass man die Baustelle für die nächste Wahlperiode im Sinne der Energie- und Sozialpolitik anpacken müsste.
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen. Die Grünen stecken momentan in einer Wählerkrise. Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit sind plötzlich Themen, mit denen sich auch andere Parteien beschäftigen, das waren vorher ihre Alleinstellungsmerkmale. Was haben Sie zum Beispiel der Union und Sozialdemokraten voraus? Womit punkten Sie noch? Warum sind Sie die Partei für Energiepolitik, Klimapolitik, Umwelt?
Krischer: Die anderen reden von Energie-, Klima- und Umweltpolitik und handeln exakt in eine andere Richtung. Das sieht man auch daran, dass wir zum Teil steigende, also nicht sinkende CO2- Emissionen haben und dass wir bei der Elektromobilität überhaupt nicht vorankommen. Wir Grünen sind diejenigen, die es dann am Ende auch machen. Deshalb sagen wir im Energiebereich, dass wir als prioritäre Maßnahme zum Beispiel den Kohleausstieg brauchen, weil die Kohle letztlich mit dem Pariser Abkommen nicht vereinbar ist. Das lese ich in keinem anderen Parteiprogramm.
Die Linke möchte einen Kohleausstieg, soweit ich weiß.
Krischer: Die Linke spricht auch vom Kohleausstieg, aber da gucke ich mir Brandenburg an. Ich kenne selber Kompromissen mit Koalitionspartnern, nur in Brandenburg genehmigt man neue Tagebaue und hat jetzt das Klimaziel aufgegeben. Wir wissen, wir Grüne machen auch viele Kompromisse in Koalitionen, aber so etwas habe ich bei einer Grünen Regierungsbeteiligung noch nicht erlebt. Also, ob das da so ernst gemeint ist, bei den Kollegen der Linken, weiß ich nicht. Aber ich sage mal, es ist ok, im Bundesprogramm haben sie das stehen.
Im Verkehrsbereich genauso, das Zeitalter des Verbrennungsmotors ist vorbei. Wer Paris ernst nimmt, der kann ab Beginn der 30er Jahre eigentlich keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zulassen. In den Programmen von Union und SPD lese ich davon überhaupt nichts. Der Unterschied, der uns Grüne auszeichnet, ist, wir machen das, nehmen das ernst und kämpfen für diese Ideen, während andere in Sonntagsreden schön davon reden, aber wenn es dann konkret wird immer, IMMER das Gegenteil machen.
Zum Abschluss, Herr Krischer. Womit fahren Sie morgens zur Arbeit?
Krischer: Das ist unterschiedlich, im Wahlkreis zu Hause entweder mit dem Fahrrad oder mit meinem Elektroauto. Seit einem guten Jahr habe ich jetzt einen Renault Zoe und bin damit absolut zufrieden und kann gar nicht verstehen, warum Menschen unbedingt noch Diesel-Autos haben wollen. Wenn man es selber praktiziert, ist es ein absolut tolles Gefühl und es ist überhaupt kein Problem. Es hat kaum Nachteile gegenüber einem normalen Fahrzeug, auch wenn man bei weiten Strecken noch ein bisschen mehr planen muss, aber das ist dann immer auch ein Abenteuer. Und ich bin als Abgeordneter auch viel mit dem Zug unterwegs.
Dann freuen Sie sich wahrscheinlich auch, wenn es mal eine deutschlandweite Karte über Ladestationen gibt?
Krischer: Genau, ich habe in meinem Auto, ich glaube inzwischen fünf oder sechs verschiedene Karten. Man lernt im Laufe der Zeit. In Düsseldorf muss man eine Karte von den Stadtwerken haben, da gibt es auch den Strom dazu umsonst, bei manchen muss man Roaming bezahlen, bei manchen muss man eine SMS hinschicken. Das wäre auch eine Aufgabe für eine zukünftige Bundesregierung, eine Regelung zu treffen, mit einer Karte oder einer Anmeldung den Strom seiner Wahl aus der Säule rausnehmen zu können.
Herr Krischer, ich danken Ihnen sehr für das Interview.
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