Politik & Wirtschaft

Stromdiscounter-Insolvenzen: Was aus den Fällen Care-Energy, Flexstrom und TelDaFax wurde

/ Sven Ebbing

Wie am Dienstag von uns berichtet hat das Oberlandesgericht München die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale gegen den zahlungsunfähigen Energieversorger BEV angenommen. Bei vergangenen Pleiten von Versorgern hatten die Kunden weniger Glück. Wir haben nachgesehen was aus den Ansprüchen gegen TelDaFax, Flexstrom und Care Energy geworden ist, deren Insolvenzverfahren seinerzeit für viel Aufsehen gesorgt haben.

Die Pleite der Bayerische Energieversorgungsgesellschaft (BEV) war nicht die erste ihrer Art in Deutschland. Mit TelDaFax, Flexstrom und Care Energy sind in den letzten Jahren auch andere große Energieanbieter in die Zahlungsunfähigkeit geschlittert. Hunderttausende Kunden blickten daraufhin in die Röhre, weil sie beispielsweise für Strom in Vorleistung getreten waren, der nie geliefert wurde. Auf dieses Geld warten die allermeisten Kunden bis heute, was für viel Wut und Unverständnis sorgt.

Einige Care-Energy-Kunden dürfen auf Rückzahlungen hoffen

Der jüngste Fall vor der BEV-Pleite stammt aus dem Jahr 2017. Einen Monat nach dem Tod des Firmengründers Martin Kristek musste der Hamburger Energieanbieter Care Energy Insolvenz anmelden. Erfolgreich geworden war er durch sein Geschäftsmodell, den Kunden keine EEG-Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energien zu berechnen, wodurch sich zunächst sehr günstige Preise ergaben. Die Netzbetreiber verlangten die EEG-Umlage schließlich trotzdem, wodurch das Unternehmen mit Nachzahlungsforderungen von mehr als 80 Millionen Euro konfrontiert wurde, die es nicht tragen konnte.

Anfang 2018 forderte der Insolvenzverwalter zahlreiche ehemalige Kunden über ein Inkassobüro zu zweifelhaften Nachzahlungen auf. Doch nun besteht für die Betroffenen Hoffnung, denn ein gewerblicher Kunde hat sich erfolgreich gegen die Mahnung gewehrt. Das Oberlandesgericht Hamm sieht die Forderungen als nicht begründet an. Das Urteil könnte somit Signalwirkung haben, so dass Kunden laut der vor Gericht erfolgreichen Kanzlei vermeintlich offene Beträge nicht einfach ungeprüft an Care Energy zahlen sollten. Möglicherweise kommt es als Folge des Hammer Urteils nun sogar zu einer Musterfeststellungsklage gegen Care Energy, mit der Verbraucher, die schon gezahlt haben, ihr Geld zurückfordern könnten. Es bleibt also spannend.

Geschädigte Flexstrom-Kunden warten weiter auf ihr Geld

2013 machte der Stromanbieter Flexstrom AG mit ihren Tochtergesellschaften OptimalGrün und Löwenzahn Energie negative Schlagzeilen. Bis zu 600.000 Kunden hatte das Unternehmen, doch günstige Vorauskasse-Tarife und fehlende Auszahlungen des „Neukunden-Bonus“ führten 2013 nach 9 Jahren am Markt in die Insolvenz. Flexstrom hinterließ 835.000 Gläubiger mit offenen Forderungen von sage und schreibe 570 Millionen Euro. Damit handelt es sich, schaut man ausschließlich auf die Zahlen, um das größte Insolvenzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Gläubiger warten auch jetzt noch auf ihr Geld, das Insolvenzverfahren ist immer noch nicht abgeschlossen. Der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Robert Mundt wegen des Verdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall wurde hingegen überraschend gegen eine Geldauflage eingestellt. Dabei soll Mundt den Forderungen des Insolvenzverwalters mit einem Umzug nach Großbritannien zuvorgekommen sein, wo Ansprüche von Gläubigern viel schneller verfallen als hierzulande.

TelDaFax: Kaum noch Hoffnung auf Entschädigung

Begonnen hatte die Pleitewelle der Stromdiscounter 2011, als der ehemals größte unabhängige Energieanbieter in Deutschland TelDaFax Insolvenz beantragte. Das Handelsblatt sprach damals vom „größten Insolvenzverfahren in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ mit 750 Millionen Euro Schaden und mehr als 300.000 betroffenen Kunden, die nun unfreiwillig zu Gläubigern wurden. 2007 gegründet, belieferte TelDaFax zu seinen besten Zeiten mehr als 700.000 Strom- und Gaskunden. Die Strategie: gegen Vorkasse verkaufte das Unternehmen Strom besonders günstig und versprach hohe Boni – die jedoch häufig gar nicht ausgezahlt wurden, wie sich später feststellen ließ. Schon zwei Jahre nach seiner Gründung war TelDaFax praktisch zahlungsunfähig und lag mit 18,8 Millionen Euro Stromsteuern im Rückstand. Wegen des Zahlungsverzugs entschlossen sich einige Strom- und Gasnetzbetreiber wie beispielsweise Vattenfall, TelDaFax den Netzzugang zu verweigern.

Zahlreiche Kunden suchten sich daraufhin schnellstmöglich einen neuen Stromversorger. Im Enddefekt kamen die beschuldigten TelDaFax-Manager Klaus Barth und Gernot Koch mit Bewährungsstrafen für die Insolvenzverschleppung im Jahr 2009 davon, auch weil die Aufsichtsbehörden dem Unternehmen gegenüber nicht kritisch genug waren. Acht Jahre später ist weiterhin unklar, auf wie viel Geld die Kunden hoffen können, das sie zu viel an TelDaFax gezahlt haben. Selbst auf teilweise Rückzahlungen dürften sich nur noch die wenigsten Hoffnungen machen.

Tarife von Stromdiscountern sollten genau geprüft werden

Sogenannte Stromdiscounter punkten häufig dadurch, dass sie durch ihre günstigen Preise auf den vorderen Plätzen bei vielen Wechselportalen liegen. Stiftung Warentest zeigte jedoch schon 2014, dass nur 2 von 49 derartiger Energieanbieter tatsächlich faire Tarife verkaufen. Verschleppte Jahresrechnungen, fehlende Boni-Auszahlungen und unscheinbare Preiserhöhungen werden nicht selten zum Ärgernis auf lange Sicht.

Allerdings gibt es durchaus seriöse Anbieter, die verbraucherfreundliche Tarife zu fairen Preisen anbieten. Beispielsweise bezieht der Tarifrechner des Energieverbraucherportals verbraucherorientierte Kriterien mit in seinen Anbietervergleich ein und kann so eine gute Orientierungshilfe bei der Wahl des passenden Energieversorgers sein.

Mehr in unserem  Artikel zur Musterfeststellungsklage gegen die BEV.

Weitere Quellen:
Artikel aus dem Handelsblatt
Artikel vom Tagesspiegel

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